EYES WIDE OPEN !

Berlin, 28.Februar 2018

 

Die Dinge nochmal in Frage stellen, reflektieren und ganz unten nochmal anfangen...bei mir selbst und In meinem persönlichen Umfeld passiert etwas...viele von uns merken,dass wir auf hohen Rössern sassen...aus Angst vor dem Absturz und um besser zu sein als Andere.Ganz fasziniert noch bin ich von der Dokumenta 14...bei der dieses Gefühl noch stärker wurde.Künstlerisch wurde hier unsere europäische und persönliche Lebensweise hinterfragt... Die Dokumenta 13 vor sechs Jahren hatte ich noch im Kopf mit Glücksgefühlen im persönlichen Bereich...absolut dankbar für meine große Liebe 15 Jahre lang...bis heute...dann folgte der Zerbruch und endlich das "Stehen auf festem Boden"  Nach langer Suche fand ich Gott...bzw er mich ! Im Februar 17 schon bin ich ebenfalls berührt aus den "Gold Projections" von Joe Ramirez gekommen...diese andächtige Stille im Ausstellungsraum...vor drei Jahren begeisterte mich  die Klarheit Ai Wei Weis und  Bowie im Martin Gropius Bau, John Steinbeck und der Aufbau seiner Novelle "Die wilde Flamme", "Im August in Osage County" im Kant Kino und  "Das Spiel ist aus" im Deutschen Theater Berlin...ich habe wieder alte Filme aus den 30er,40er Jahren gesehen,der erste Versuch zum Drehbuch von "Misdroy" steht und wir waren dabei für dieses Projekt polnische Darsteller zu casten. Kontakte zu Maike Karacziewic waren bereits geknüpft.

Im Kino vor längerer Zeit "Die andere Heimat" von Edgar Reitz im Studio am Bundesplatz.Vom Anfang der Achtziger kannte ich die Filmreihe schon und besuchte vorletztes Jahr im Sommer die Drehorte im Hunsrück.Absolute Begeisterung dann im Kino.Draußen strahlender Sonnenschein,drinnen vier Stunden Schabbach.

 

 

Angesichts des ganzen Terrors auf der Welt frage ich mich,wie man künstlerisch mit dem Thema Gewalt umgehen sollte.Sicherlich wäre es falsch hier eine heile Welt zu zeichnen,aber Gewalt oder Verbrechen zu verherrlichen wäre sicher auch falsch.Hinsichtlich des täglichen Horrors  und des ganzen Leides vergeht mir das Verständnis für Horror oder Gewalt in der Kunst,die nur als Attraktion verpackt werden.Vielleicht wäre es angesagt hier künstlerisch die Wurzeln aufzudecken.Aber dann einfach auch Frieden zu bringen. Meinen Kritikern sage ich das aus vollem Herzen.Nach den Anschlägen von Paris, Würzburg,Ansbach und Berlin mehr als denn je.

 

Es wäre zu wenig "Nichts" zu all dem zu sagen.Es wäre schön,wenn etwas bliebe.

Im November 2016 war ich während einer Rom Reise erschrocken über diese einsame Schönheit der Protagonisten in Edward Hoppers Bildern.

Oder so: Eine meiner Schlüsselszenen des Kinos stammt aus dem US Film "Stake out...die Nacht hat viele Augen"...der dramatische Showdown des Films endet in einer sich ausweitenden Totale mit dem Abbau des Sets.Zum Schluß ist (leider) nichts mehr da.Aber das eben glaube ich nicht.Etwas bleibt.

 

In der ersten Hälfte des Jahres 2014 entstand mit Uli Schlottau,Florian Teuscher und der Stimme von Carmen Romy Schulze ein filmischer Versuch Text in Form von Dialogen in "Written over pictures" einzubinden.Bei diesem Text geht es um Heimat .Wo ist Heimat,wo entwickelt sich Heimat?Jenseits aller geografisch reaktionären Blicke geht es hier um die Suche nach einer metaphysischen Heimat im besten Sinne.Dieser Blick hat mich sehr erleichtert.

Harvey Keitel sagt in "Dieses Jahr in Czernowitz" über die Erzählungen seiner Mutter,daß er und seine Brüder ganz gebannt zuhörten,wenn sie über ihre Jugend in der Bukowina erzählte..."wo hatte sie ihre Hände hingelegt,wo hatte sie getanzt ? Sie sollte immer mehr erzählen."Das brachte die Heimat von der Bukowina nach Brooklyn.Und es erzeugte eine "Heimat in den Köpfen" die mehr von Wärme,als von Orten lebt.

Die Arbeit an "Written over Pictures"lässt nicht mehr zu verbergende eigene Blicke auf die Heimat in mir selbst zu.Ungewohnt und befreiend."Bruder"

Zur Zeit erarbeite ich ein Konzept,welches noch einmal den ganzen Aufbau des Films

verändern wird."Written over Pictures" bekommt den weiteren Titel "Lächelndes Schweigen - Chronik eines nie gemachten Films".Die jahrelange Suche nach Material,der ermüdende Aspekt beim Schneiden,die Gegensätzlichkeiten die während der Arbeit am Film auftauchten,aber auch private Ereignisse ließen mich aufhorchen.irgendwoher musste das ja kommen.

 

Bei einer Lesung über das Werk der jüdischen Dichterin Masha Kaléko in einer Berliner Seniorenresidenz fiel mir folgendes auf.Die Besucher waren zwar durchaus an dieser warmherzig, offenen Dichtung interessiert, als es jedoch im biografischen um Imigration und das Leben im Berlin der Nazizeit ging wurde es unruhig,ungehaltenes Räuspern kam kurz auf,fast ärgerlich...um sich dann schnell wieder zu beruhigen.

Wie kann es sein, das die bloße Erwähnung einer Tatsache diese Unruhe bringt...diese dann aber wieder in einem Lächeln endet? Ganz klar...Lächeln ist gut...das meine ich aber nicht. Es war eher ein "lächelndes Schweigen".Und das kenne ich von meinen Eltern auch.Hier entsteht Mitgefühl, denn wie tief sitzen erzählte oder gar überhaupt nicht erzählte Kriegserlebnisse oder schlechte, traumatisierende Erlebnisse ? Wie intensiv sind sie gewesen, wenn nichts mehr (darüber) erzählt wird ? Für mich persönlich ergibt sich irgendwie folgender Gradmesser daraus; je schlimmer das Erlebte, umso konsequenter das Schweigen.Umso drastischer und "tröpfelnder" die Weitergabe an nachfolgende Generationen. Ganz klar ist dabei trotzdem...unsere Eltern- und Großelterngeneration meinte es gut.So wie wir es auch gut meinen.

 

 

Im Designbüro Bratina Berlin entstand dazu eine Trickfilmsequenz zum Thema Kindheit, die am Anfang des Films stehen sollte.Ja...ein sehr tiefes Mitgefühl für die vielleicht traumatischen Erfahrungen meiner Eltern in Kriegs und Nachkriegszeiten  ist enstanden.Es gab nie "ein Aufbegehren",nie ein Äußern von Wünschen und Begehrlichkeiten.Damals herrschte ein extremer Druck bezüglich eigener Meinungsäußerung.Das wurde uns Brüdern und vielen Kindern der Kriegsenkel Generation in unser Leben weitergegeben.Es bestimmte unsere Lebensweisen und unsere Beziehungen.Auch grad um meine letzte Beziehung wird es gehen.Der Film ist ein "Lösen" von  alten Mustern.Und so sollte er nicht etwa 1926 beginnen, sondern in einem bundesrepublikanischen Sommer Ende der 1960er Jahre in Bad Sachsa.Die Arbeit an "Written over Pictures" endet zuversichtlich und versöhnlich.In "Commander" gibt es einen ersten Eindruck davon.

Ich kann sagen,die Arbeit an diesem Film ist zu einer "Schatztruhe" geworden...es wird alles besser.

 

 

Nach dem Tod meines Bruders im August 2015 erschien zudem nochmals vieles im neuen Licht.Eine mehrtägige Reise mit meinem Vater im Wohnmobil an der Ostseeküste entlang weitete den Blick dann auch noch mehr, gab ungeahnte Stärke und Mut, aber im Nachhinein auch einen Blick auf die schweren Ereignisse im Leben meines Vaters und deren Wirkung bis heute.

Gott sei Dank gibt es die Möglichkeit Dinge nachzuholen...die Tanks des Lebens wieder aufzufüllen bzw eventuell auch erstmals zu füllen, wenn das in der Kindheit oder anderen Lebensphasen versäumt wurde ...

Ich merke das an mir,ich merke das an meinem Mut zu mir zu stehen.Endlich...nach langen Jahren.Ich bin "gefüllt" ...erst einige Wochen her im Fräulein Lietz,als ich Espresso und Wasser bestellte sprach mich die nette Frau hinter dem Tresen an...sie sähe mir an "das ich feiern würde".Wow! :-)

Und ja...es ist ein inneres Fest.Das was zum Beispiel Exupery in "Bekenntnis einer Freundschaft" beschreibt ist plötzlich da.

Trotzdem ist Erschöpfung da und ein Sehnen...und ich frage mich,ob nicht etwa die riesige Materialsammlung und Recherche zu „Written“ eigentlich schon Sinn ergeben.

 

Ich bin dankbar,liebevoll Grenzen zeigen zu können.Trotzdem ist es so, das diese Grenzen nicht immer auf Zustimmung stoßen.Leider.

 

 

In der Nacht vom 19.-20.12. 2016, als der Laster in den Berliner Weihnachtsmarkt raste, fiel mir ein Satz von Dorothy Parker ein:

"Als das Telefon wieder nicht klingelte, wusste ich das Du es bist"

 

Ja...ich verstehe Dinge nicht...bis heute nicht.Ich kapier bloß das Liebe bleibt.Ja.

Liebe.

 

Hier findet ein Bruch statt.Die Arbeit an "Written over Pictures" führte mich in Bereiche, die ich noch nicht an mir kannte. Ich beende hier und jetzt jede künstlerische Arbeit und alle Arbeit an diesem Film.Ich danke allen!

...mal sehen,was passiert.

 

Der absolute Wendepunkt kam am 18.Februar 2017 :-)

 

Hier beginnt etwas Neues...

 

Und ja..."Written over Pictures" war der Film mit den meisten Trailern weltweit :-)

Berlin Februar 2017 "Gold Projections" Joe Ramirez
Berlin Februar 2017 "Gold Projections" Joe Ramirez

Rom November 2016 " Edward Hopper"

Dokumenta 14

Die wilde Flamme
Die wilde Flamme

18. Februar 2017 ( ganz neu ;-)